Der Gebrauch von Gesichtserkennungssoftware zu Strafverfolgungszwecken wird ein neues Zeitalter der Strafverfolgung einleiten. Täter*innen könnten in einem Sekundenbruchteil identifiziert und überführt werden. Die Nutzung ist eine grosse Chance für die Strafverfolgung und zugleich ein Damoklesschwert für den Datenschutz. Ausgehend von den neuen Leitlinien der Europäischen Datenschutzkommission werden in diesem Beitrag die Vorteile und Risiken erklärt.
Wie funktioniert Gesichtserkennungssoftware?
Das Prinzip der Gesichtserkennung ist bekannt. Wer einen anderen Menschen kennenlernt, speichert das Gesicht seines Gegenübers in seinem Gedächtnis. Fortan ist diese Person fähig, das Gegenüber jederzeit zu identifizieren.
Nach demselben Prinzip arbeiten Gesichtserkennungssoftwares. Anstatt des Gesichts, merkt sich die Software die biometrischen Daten ihres «Gegenübers» (sog. Face Recognition, kurz «FR»).
Eine FR-Software analysiert Fotos und Aufnahmen von Gesichtern. Sie extrahiert die relevanten biometrischen Daten und erstellt einen Abdruck des analysierten Gesichts. Der Abdruck ist einzigartig und kann einer bestimmten Person zugeordnet werden. Anschliessend wird der Abdruck in einer Datenbank gespeichert. Das Ziel ist, so viele Abdrücke wie möglich in der Datenbank zu speichern.
Bei der anschliessenden Gesichtserkennung vergleicht die FR-Software den Abdruck eines Gesichts mit den Abdrücken auf der Datenbank. Das Ziel ist, zwei identische Abdrücke zu finden. Es ist dasselbe Prinzip wie beim Abgleich von Fingerabdrücken.
Die Software kann Person X als Laura identifizieren, weil die biometrischen Daten von Laura und Person X genau übereinstimmen. Person Y kann nicht identifiziert werden, zumal die Datenbank keinen Abdruck von ihrem Gesicht enthält.
Wie kann Gesichtserkennungssoftware in der Strafverfolgung eingesetzt werden?
Immer mehr Strafverfolgungsbehörden möchten Gesichtserkennungssoftware benutzen. Das ist nachvollziehbar. Dadurch könnten präventive und repressive Aufgaben der Behörden vereinfacht werden. Insbesondere im Rahmen von Fahndungen, Observationen, Überwachungen und Eingangskontrollen erleichtert der Einsatz von Gesichtserkennungssoftware den Behörden das Leben. Folgende Anwendungsfälle sind denkbar:
Eingangskontrollen an Grossanlässen durch Gesichtserkennung.
Die Identifikation von Tatverdächtigen und anderen Tatbeteiligten.
Die Überwachung der Bewegungen einer Person im öffentlichen Raum.
Eine Rekonstruktion des Tatgeschehens anhand von alten Aufnahmen.
Die Fahndung nach Tatverdächtigen im öffentlichen Raum in Echtzeit.
So begehrenswert diese Chancen sein mögen, so ist stets auch die Kehrseite der Medaille zu berücksichtigen. Der Einsatz von Gesichtserkennungssoftware sieht sich mit erheblichen technologischen Herausforderungen und rechtlichen Hindernissen konfrontiert.
Welche technologischen Herausforderungen bringt die Gesichtserkennung mit?
Das technologische Hauptproblem sind mangelnde Präzision und mögliche Voreingenommenheit von FR-Software. Diese Probleme können derzeit auf technischem Wege nicht gelöst werden. Daher betont die europäische Datenschutzkommission zurecht, dass die Ergebnisse von Gesichtserkennungen stets einer eigehenden und kritischen menschlichen Überprüfung bedürfen. Es sei zudem besonders darauf zu achten, dass die fundamentalen Rechte der Betroffenen berücksichtigt werden.
Was sind die rechtlichen Probleme?
Die Verarbeitung biometrischer Daten stellt stets einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte der Betroffenen dar. Die europäische Datenschutzkommission hat für die nationalen Gesetzgeber Richtlinien veröffentlicht. Diese sollen beim Erlass von Gesetzen beachtet werden, damit die Grundrechte der Betroffenen möglichst wenig belastet werden. Für die Schweiz sind diese in keiner Weise verbindlich, können aber als geeignete Blaupause für allfällige Schweizer Gesetze dienen.
Die Richtlinien verlangen zusammengefasst:
Der Datenschutzbeauftrage (in der Schweiz ist das der EDÖB) soll im Gesetzgebungsverfahren eine beratende Rolle einnehmen.
Die gesetzlichen Massnahmen sollen durch einen vertretbaren Zweck gerechtfertigt sein. Als Beispiel wird die Verfolgung einer schweren Straftat (bspw. Mord, Geiselnahme, Vergewaltigung) genannt.
Massnahmen, welche nicht nur einzelne (verdächtige) Personen betreffen, sollen als besonders schwere Eingriffe gelten (bspw. die Überwachung im öffentlichen Raum)
Die Vorsitzende der europäischen Datenschutzkommission Andrea Jelinek sagt dazu::
«While modern technologies offer benefits to law enforcement, such as the swift identification of suspects of serious crimes, they have to satisfy the requirements of necessity and proportionality. Facial recognition technology is intrinsically linked to processing personal data, including biometric data, and poses serious risks to individual rights and freedoms.»
Die Datenschutzkommission zeigt sich grundsätzlich besorgt. Sie möchte sicherstellen, dass die Grundrechte, trotz Einsatz von Gesichtserkennungssoftware, gewahrt werden. Der Einsatz von Gesichtserkennungssoftware soll nur mit einem erheblichen öffentlichen Interesse und einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage zulässig sein.
Ausblick
Zurzeit arbeiten einige Schweizer Strafverfolgungsbehörden mit FR-Software. Sie setzen diese aber nur zurückhaltend ein und meist nur bei schweren Delikten. Ob eine ausreichende gesetzliche Grundlage dafür gegeben ist, ist umstritten. Ein aktuelles Gesetzgebungsverfahren, um eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, gibt es nicht. Es ist aber davon auszugehen, dass in Zukunft die FR-Softwares immer bedeutender werden und es zu einem gesetzgeberischen Diskurs kommen wird.
Datenschutz.law hält Dich über weitere Entwicklungen zum Einsatz von Gesichtserkennungssoftware auf dem Laufenden.