Der EDÖB kommentierte in seinem 29. Tätigkeitsbericht 21/22 die datenschutzrechtliche Lage der Nation. Er kritisiert die allgemeine Gleichgültigkeit der Bevölkerung gegenüber dem Datenschutz und die wachsende Geringschätzung der Privatsphäre durch Regierungen und Sicherheitsbehörden.
Wie ist die Ausgangslage?
Der Datenschutz hat in den vergangenen Jahren wesentlich an gesellschaftlicher und politischer Relevanz gewonnen. Durch die DSGVO und das bald in Kraft tretende revDSG ist der Datenschutz zu einem relevanten, aber teils auch mühseligen Thema geworden. Den meisten Personen ist der Datenschutz sogar relativ egal. Diese Gleichgültigkeit wird vom EDÖB kritisiert.
Woher kommt diese Gleichgültigkeit?
Der EDÖB äussert sich zwar nicht zu den Ursachen, diese sind aber offensichtlich. Der Datenschutz ist kompliziert, zeitaufwendig und anstrengend. Viele Menschen verstehen die Gefahren nicht, welche fehlendem Datenschutz innewohnen und haben daher keinen Antrieb, sich mit dem Datenschutz näher zu beschäftigen.
Oft verkennen die Menschen die Relevanz des Datenschutzes auch aus Ignoranz. Dies ist regelmässig der Fall, wenn das Interesse an der Nutzung eines bestimmten Dienstes grösser ist als das Datenschutzinteresse.
Ein gutes Beispiel ist WhatsApp:
Die Datenschutzproblematik rund um WhatsApp ist den meisten Usern bewusst. Eine Vielzahl von Menschen würden gerne auf datenschutzfreundlichere Messenger wie Signal oder Threema umsteigen. Dennoch zieren sich die meisten auf alternative Messenger umzusteigen, da sie oft von WhatsApp abhängig sind und die meisten ihrer Kontakte nur WhatsApp verwenden. Wer bereits einmal versucht hat, seine Kontakte zum Umsteigen zu überreden, weiss, dass er gegen eine Wand läuft. Ein Teufelskreis, bei dem das Resultat eine bewusste Ignoranz gegenüber dem Datenschutz ist. Bewusst ist sie, weil die meisten User das Problem zwar erkennen, es aber nicht bekämpfen, weil sie sonst den entsprechenden Dienst nicht mehr verwenden könnten.
So entsteht eine allgemeine Gleichgültigkeit gegenüber dem Datenschutz seitens der Bevölkerung. Der Datenschutz ist noch zu unbequem und hinderlich. Um die Menschen aufnahmebereit für Datenschutzprobleme zu machen, ist eine intensive Förderung des Datenschutzes und Aufklärung über Datenschutzprobleme erforderlich.
Soll anonyme Kommunikation zulässig bleiben?
Der EDÖB kritisiert nicht nur die Gleichgültigkeit der Bevölkerung, auch die Geringschätzung europäischer Regierungen und Sicherheitsbehörden steht in der Kritik. Würde nämlich deren Wünsche entsprochen, könnten wohl künftig Inhalte von Messenger-Apps und E-Mails einschliesslich Bilder der staatlichen Überwachung zugänglich gemacht werden. Eine richterliche Genehmigung wäre dazu nicht mehr nötig. Sie dürften sich präventiv Zugang zu den genannten Inhalten verschaffen. Um diese Pläne durchsetzen zu können, wäre ein Verbot der Verschlüsselung von Nachrichten mittels Verschlüsselungssoftware nötig. Diese Forderung lehnt der EDÖB eindeutig ab.
Es sei zentral, dass die Bürgerinnen und Bürger selbst darüber entscheiden können, von wem sie ihre Daten abschotten wollen. Ausserdem sei es unhaltbar, wenn den Bürgerinnen und Bürgern vorgeworfen werde, «ihre Freiheit zu missbrauchen», wenn diese sich dazu entscheiden, über abhörsichere Systeme zu kommunizieren. Es solle jedem Menschen das Recht zugestanden werden, sich in der analogen und digitalen Welt anonym zu bewegen, ohne sich durch eigene Aussagen belasten zu müssen. Ausser Frage steht aber auch, dass einzelfallbezogene Eingriffe gegen eine Person, welche einer Straftat verdächtigt wird, mit einer richterlichen Genehmigung vorbehalten bleiben.
Ausblick
Der EDÖB fordert vor diesem Hintergrund dazu auf, Digitalstrategien differenziert und besonnen umzusetzen. Sie sollen zur Stärkung des privaten und selbstbestimmten Lebens der Schweizer Bevölkerung führen und nicht zu dessen Aushöhlung. Mit welchen Massnahmen der Datenschutz sowohl gesellschaftlich als auch politisch einen höheren Stellenwert erreichen soll, hat der EDÖB allerdings offengelassen.
Datenschutz.law hält Dich über weitere Tätigkeitsberichte des EDÖB auf dem Laufenden.