03.02.2022 von Vanessa Walter
Am 17. Dezember 2021 hat das Parlament die Änderungen des DNA-Profil-Gesetzes und weiterer Erlasse beschlossen (den Gesetzesentwurf findest du hier). Aus einer DNA-Spur sollen äusserlich sichtbare Merkmale wie die Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie das Alter und die biogeografische Herkunft einer potentiellen Täterschaft herausgelesen werden. Das war bisher nicht möglich.
Jetzt läuft die Referendumsfrist bis zum 7. April 2022. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens blieb die Frage nach dem Einsichtsrecht in die Analyseergebnisse unbeantwortet. Das ist datenschutzrechtlich besonders heikel, da bei der Auswertung gesundheitsrelevante Informationen anfallen können. Wir zeigen Dir auf:
was genau unter der DNA-Phänotypisierung zu verstehen ist;
wo die datenschutzrechtlichen Probleme der Gesetzesänderung liegen; und
wann und wie eine betroffene Person die Analyseergebnisseherausverlangen kann.
«Phänotyp» meint das äussere Erscheinungsbild einer Person, welches sowohl von Erbanlagen als auch von Einflüssen aus der Umwelt geprägt wird.
Die DNA-Phänotypisierung ist ein Ermittlungsinstrument der Strafverfolgungsbehörden, das der Aufklärung von Straftaten dienen soll. Anhand einer vorhandenen DNA-Spur kann das Aussehen einer Person vorhergesagt werden. Die folgenden Merkmale einer Person, die durch Analyse ermittelt werden, sind gemäss Entwurf des DNA-Profil-Gesetzes:
Augenfarbe;
Haarfarbe;
Hautfarbe;
die biogeografische Herkunft (d.h. die geografische Region, aus der die Vorfahren einer Person möglicherweise stammen);
Alter.
Allerdings basieren diese Vorhersagen zum Aussehen nur auf Wahrscheinlichkeitswerten, weshalb keine hundertprozentige Sicherheit besteht, dass der potentielle Täter wirklich so aussieht.
Das Ermittlungsinstrument der DNA-Phänotypisierung soll den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stehen, wenn die bislang verwendeten Ermittlungsinstrumente die Aufklärung einer schweren Straftat nicht mehr voranbringen.
Die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden stehen in diesen Fällen still. Es kann jedoch sein, dass eine DNA-Spur vorhanden ist, die keiner Person zugeordnet werden kann.
Durch Hinweise auf das mögliche Aussehen, das mit der DNA-Phänotypisierung ermittelt werden kann, erhofft sich der Gesetzgeber die Aufklärung bisher ungelöster schwerer Straftaten. Dazu gehören unter anderem:
Vorsätzliche Tötung, Mord;
vorsätzliche schwere Körperverletzung;
Vergewaltigung;
Raub oder Geiselnahme.
Bei der DNA-Phänotypisierung besteht die Gefahr, dass die Analyse nebst den gesetzlich erlaubten Informationen auch weitere, gesundheitsbezogene Informationen liefert. Sogenannte Überschussinformationen. Das können beispielsweise Informationen über Erbanlagen oder Krankheiten sein.
In Bezug auf das Alter kann derzeit ungefähr eine Einschätzung auf vier bis fünf Jahre genau gemacht werden. Heikel kann das Resultat sein, wenn die Person anschliessend tatsächlich ermittelt wird und deren tatsächliches Alter drastisch vom vorhergesagten abweicht. Diese Abweichung kann sich aufgrund des Lebensstils oder Krankheiten der betroffenen Person ergeben. Das sind gesundheitsbezogene Informationen, welche anhand der DNA-Phänotypisierung nicht ermittelt werden wollen. Die heutige Technik lässt es noch nicht zu, dass das Alter unabhängig vom Gesundheitszustand vorhergesagt werden kann.
Bei den Merkmalen der Augen-, Haar und Hautfarbe sowie der biogeografischen Herkunft wird das Risiko von Überschussinformationen als gering erachtet. Ausgeschlossen werden kann dies aber auch hier nicht.
Konnte anhand der DNA-Phänotypisierung diejenige Person ermittelt werden, von welcher die DNA stammt, handelt es sich bei der DNA nicht mehr um eine anonyme Spur. Vielmehr kann diese nun einer bestimmten Person zugeordnet werden. Resultieren aus der DNA-Phänotypisierung auch Überschussinformationen, verfügt das Labor unter Umständen über gesundheitsrelevante Informationen, welche der betroffenen Person möglicherweise selbst (noch) nicht bekannt sind.
Daten, welche Informationen über die Gesundheit enthalten, stellen besonders schützenswerte Personendaten dar (Art. 5 lit. c Ziff. 2 revDSG). Durch diese Kategorisierung wird ausgedrückt, dass es sich um Daten handelt, welche aufgrund ihrer Sensitivität eine besondere Gefahr für die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Person darstellen können.
Der in der Bundesverfassung festgelegte Anspruch auf informationelle Selbstbestimmung schützt nicht nur den Missbrauch von Daten, sondern auch:
das Recht, zu entscheiden, wem Informationen über sich selbst bekanntgegeben werden;
das Recht auf Einsicht in die eigenen Daten; und
das Recht auf Nichtwissen, d.h. das Nichterfahren von Informationen über sich selbst.
Auch das Recht auf Nichtwissen wird von diesem grundrechtlichen Anspruch umfasst. Im Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen ist das Recht auf Nichtwissen ausdrücklich gesetzlich geregelt (Art. 6 GUMG).
Die betroffene Person muss selbst entscheiden können, ob sie wissen will, welche gesundheitsrelevanten Informationen über sie angefallen sind. Um diese Entscheidung zu treffen, muss sie wissen, wie sie an diese Informationen gelangen kann.
Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Einführung der DNA-Phänotypisierung blieb die Regelung des Einsichtsrechts in diese Daten leider unberücksichtigt. Im Entwurf des DNA-Profil-Gesetzes wird lediglich aufgeführt, dass Überschussinformationen soweit als möglich zu vermeiden sind. Falls sie dennoch anfallen, sollen diese beim Labor verbleiben und nicht an die auftraggebende Behörde oder Dritte herausgegeben werden (siehe ausführlich zu den Überschussinformationen bei einer Phänotypisierung: Betticher Pascal, AJP 2021, S. 1480-1488).
Fallen aufgrund der DNA-Phänotypisierung Überschussinformationen an und kann die gesuchte Person ermittelt werden, ist dieser grundsätzlich mitzuteilen, dass im Rahmen der Ermittlungen eine DNA-Phänotypisierung angeordnet wurde (Art. 95 Abs. 2 StPO). Damit müssten aber auch die allfällig erhobenen gesundheitsrelevanten Überschussinformationen mitgeteilt werden. Dies muss trotz der oben erwähnten Bestimmung im Entwurf des DNA-Profil-Gesetzes, wonach die Überschussinformationen beim Labor verbleiben müssen, möglich sein. Wird dies nicht gewährleistet, kann die betroffene Person ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht ausüben, da diese nicht weiss, dass Überschussinformationen über sie angefallen sind.
Weiter sollte es der betroffenen Person aufgrund ihres Rechtes auf Nichtwissen offenstehen, ob sie Einsicht in die entsprechenden Daten, die aus der DNA-Phänotypisierung resultierten, haben möchte oder nicht. Im Entwurf des DNA-Profil-Gesetzes wurde nicht geregelt, wie betroffene Personen von ihrem Einsichtsrecht Gebrauch machen können. Es muss daher auf die Strafprozessordnung und das Datenschutzgesetz gegriffen werden.
Bei noch laufendem Strafverfahren kann die betroffene Person Einsicht in Ihre Verfahrensakten verlangen. Überschussinformationen sind jedoch nie Inhalt der Verfahrensakten. Daher kann aus dem Einsichtsrecht in die Verfahrensakten kein Einsichtsrecht in die gesundheitsrelevanten Informationen aus dem Analyseverfahren der DNA-Phänotypisierung abgeleitet werden.
Auf das Datenschutzgesetz kann sich die betroffene Person gemäss der Strafprozessordnung erst nach Abschluss des Strafverfahrens berufen. Sobald das Strafverfahren abgeschlossen ist, kann die von der DNA-Phänotypisierung betroffene Person direkt beim entsprechenden Labor Einsicht in die Überschussinformationen verlangen (Art. 25 revDSG). Da es sich um Gesundheitsdaten handelt, können betroffene Personen eine Ärztin (bspw. die Hausärztin) bezeichnen, welcher das Labor die Resultate mitteilt (vgl. Art. 25 Abs. 3 revDSG). Diese kann die Überschussinformationen schliesslich auf verständliche Art und Weise der betroffenen Person mitteilen.
Im Vorentwurf war zunächst die sofortige Vernichtung von anfallenden Überschussinformationen vorgesehen. Da sich die Überschussinformationen kaum von den gewollten Informationen trennen lassen, wurden die Laboratorien gesetzlich nicht verpflichtet, die Überschussinformationen zu vernichten. Sie dürfen diese lediglich nicht an die auftraggebende Behörde und Dritte weitergeben.
Vielmehr sind die Laboratorien zur Dokumentation des Analyseprozesses verpflichtet, um später der Verlauf der Analyse oder die Qualität eines Ergebnisses überprüfen zu können. Die Löschung der Überschussinformationen muss sich dementsprechend an den Löschregelungen der DNA-Personenprofile orientieren.
Die Aufbewahrungsfristen werden nach neuem DNA-Profil-Gesetz einmalig festgelegt. Diese laufen neu immer ab dem Datum des rechtskräftigen Urteils (Art. 16 Abs. 2 Entwurf des DNA-Profil-Gesetzes). Die Dauer der Aufbewahrung variiert je nachdem, ob eine bedingte oder unbedingte Strafe verhängt wurde und unterscheidet ausserdem nach der Dauer der Strafe. Eine einmal festgelegte Aufbewahrungsdauer kann nur noch durch die urteilende Behörde und maximal 10 Jahre über die ursprünglich bestimmte Frist verlängert werden (Art. 17 Abs. 1 Entwurf des DNA-Profil-Gesetz).
Die Änderungen des DNA-Profil-Gesetzes und weiterer Erlasse wurden vom Parlament beschlossen. Diese soll die DNA-Phänotypisierung ermöglichen. Die Änderungen sind aber noch nicht in Kraft. Das Referendum kann noch ergriffen werden.
Aus datenschutzrechtlicher Sicht werden die folgenden Regeln gelten müssen:
Der betroffenen Person ist mitzuteilen, dass eine DNA-Phänotypisierung angeordnet wurde.
Der betroffenen Person ist der Anfall gesundheitsrelevanter Informationen (Überschussinformationen) mitzuteilen.
Während laufendem Strafverfahren erhält die betroffene Person keine Auskunft über allfällige Überschussinformationen.
Nach Abschluss des Strafverfahrens, kann die betroffene Person beim Labor Einsicht verlangen bzw. einen Arzt bestimmen, der diese Informationen entgegennimmt und für sie verständlich formuliert.