09.08.2024 von Andreas Schäfer und Isabelle Wyder
Der deutsche Bundesgerichtshof setzte sich im Urteil II ZB 7/23 mit der Frage auseinander, ob eine Eintragungspflicht des Wohnorts in ein Handelsregister zulässig ist. Der Beschwerdeführer im vorliegenden Urteil ist Geschäftsführer einer GmbH und wurde als solcher mit seinem Wohnort in das Handelsregister eingetragen. Mit Wohnort ist hier nicht die private Adresse, sondern lediglich eine örtliche Eingrenzung gemeint. Da er mit Sprengstoffen arbeitet, sah er mit der Offenlegung seines Wohnortes potenzielle Risiken für seine Sicherheit. Aus diesem Grund beantragte er die Löschung seiner Wohnortangaben aus dem Handelsregister. Der Bundesgerichtshof entschied in diesem Zusammenhang, dass die Eintragungspflicht im Handelsregister zulässig sei, sodass der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf die Löschung des Eintrages hat. Dieser Entscheid wurde mitunter damit begründet, dass die Publikation des Wohnortes zur besseren Individualisierung des Geschäftsführers erforderlich sei.
Der Entscheid aus Deutschland verdeutlicht die Herausforderungen des Datenschutzes im Zusammenhang mit der Digitalisierung und der Vernetzung persönlicher Informationen. Es stellt sich die Frage nach der Rechtslage unter der Schweizer Gesetzgebung. Aus diesem Grund klärt dieser Blogbeitrag über den Umgang mit Personendaten in Schweizer Handelsregistern auf.
Zunächst stellt sich die Frage, ob das Schweizer Datenschutzrecht, aus welchem sich auch ein Recht auf Löschung (Art. 32 Abs. 2 DSG i.V.m. Art. 28 ff. ZGB) herleiten lässt, überhaupt auf Personendaten in Handelsregistern Anwendung findet. Seit Inkrafttreten des neuen Datenschutzgesetzes müssen dessen Bestimmungen, neben weiteren Gesetzen, beachtet werden. Die Personendaten dürfen aufgrund spezialrechtlicher Regelungen in der Handelsregisterverordnung veröffentlicht werden. Dies, da das Handelsregister gerade eben die Funktion hat, diese Personendaten bekannt zu machen.
Um zu prüfen, welche Personendaten potenziell gelöscht werden könnten, muss erst einmal eruiert werden, welche Daten im Handelsregister veröffentlicht werden und welche registriert, aber nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dafür wird zuerst geschaut, weshalb einzelne Daten überhaupt erfasst werden.
Bevor die Versichertennummer der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) zur Identifizierung von natürlichen Personen genutzt wurde, war es gesamtschweizerisch nicht möglich festzustellen, welche natürliche Person in welcher Funktion oder mit welcher Zeichnungsberechtigung im Handelsregister eingetragen war. So konnte es vorkommen, dass eine natürliche Person im Handelsregister nicht eindeutig identifiziert werden konnte, beispielsweise aufgrund nicht übereinstimmender Schreibweisen des Namens («Hans» und «Johann»), Namensänderungen oder falscher Übereinstimmungen, wenn mehrere Personen dieselben Personendaten hatten (es gibt beispielsweise mehrere Hans Müller mit Heimatort und Wohnsitz in Zürich).
Während Unternehmen bereits nach einheitlichen Kriterien erfasst wurden, waren neue Gesetzesbestimmungen für die Erfassung natürlicher Personen erforderlich. Ab dem 1. April 2020 traten Regelungen in Kraft, welche eine einheitliche Erfassung natürlicher Personen vorschreiben und damit auch Verwechslungen bei eingetragenen Personen ausschliessen.
Um das erläuterte Problem zu lösen, dass nicht alle natürlichen Personen einwandfrei identifiziert werden können, wurde die zentrale Datenbank Personen geschaffen. Sie ermöglicht einerseits die Identifizierung einer im Handelsregister eingetragenen Person und hilft andererseits, gesamtschweizerisch festzustellen, welche natürliche Person in welcher Zeichnungsberechtigung oder Funktion bei einer oder mehreren Rechtseinheiten im Handelsregister eingetragen ist. Diese klare Unterscheidung ist möglich, weil zu jeder in der Datenbank geführten Person die entsprechende AHV‑Versichertennummer hinterlegt ist. Für die Datenerfassung der zentralen Datenbank Personen sind die kantonalen Handelsregisterämter zuständig. Nun können, im Gegensatz zu früher, zwei Personen mit gleichem Namen unterschieden werden. Durch die Verwendung der Versichertennummer der Alters- und Hinterlassenenversicherung sinkt die Anzahl der Verwechslungen, wodurch die Datensicherheit und der Datenschutz gesteigert werden.
Die AHV-Versichertennummer wird von den Handelsregisterämtern ausschliesslich als amtsinterner Personenidentifikator verwendet und ist in keinem öffentlich zugänglichen Dokument sichtbar. Um einzelne Personen trotzdem identifizieren zu können, wird deshalb eine nicht sprechende Personennummer verwendet, welche anstelle der AHV-Nummer im Handelsregister veröffentlicht wird.
Die Bekanntgabe der AHV-Versichertennummer durch das Handelsregister ist nur unter strengen Voraussetzungen zulässig. Als Empfänger dieser Informationen sind nur Stellen und Institutionen vorgesehen, welche die AHV-Versichertennummer ebenfalls systematisch nutzen. Zudem muss die Bekanntgabe der Nummer für den Empfänger erforderlich sein, um seine gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen. Ziel dieser Regelung ist es, eine unkontrollierte Verbreitung der AHV-Versichertennummer zu verhindern, ohne eine sinnvolle Nutzung im Kontext des Handelsregisters zu beeinträchtigen.
Bei Handlungen der Handelsregisterämter, die Daten einer natürlichen Person aus der zentralen Datenbank Personen öffentlich machen, muss im Voraus eine zusätzliche, neue nicht sprechende Personennummer vergeben werden. Diese neue Nummer ermöglicht es, die Daten einer Person zu veröffentlichen, ohne dass Rückschlüsse auf sensible Informationen wie die AHV‑Versichertennummer möglich sind.
Nicht nur der Wohnort wird im Handelsregister erfasst und publiziert. Zur Identifikation natürlicher Personen werden im Handelsregister weitere Angaben erfasst. Darunter der vollständige Vor- und Nachname, das Geburtsdatum, das Geschlecht, der Heimatort oder bei ausländischen Staatsangehörigen die Staatsangehörigkeit. Auch wird, falls vorhanden, die erteilte nicht sprechende Personennummer der zentralen Datenbank Personen aufgenommen.
Die Publikation dieser Daten richtet sich nach Art. 119 Abs. 1 HRegV. Falls belegbar kann ein schweizerischer oder gleichwertiger ausländischer akademischer Titel angegeben werden. Schliesslich wird die Funktion, welche die Person in der Rechtseinheit ausübt und die Art der Zeichnungsberechtigung oder der Hinweis, dass die Person nicht zeichnungsberechtigt ist, aufgeführt. Ebenfalls ist die nicht sprechende Personennummer der zentralen Datenbank Personen aufgelistet. Die AHV-Versichertennummer ist, wie erläutert, nicht öffentlich einsehbar. Daten, welche im Handelsregister nicht veröffentlicht werden, wie beispielsweise das Geburtsdatum, werden in der zentralen Datenbank Personen gespeichert.
Als letztes stellt sich die Frage, die auch im Urteil des deutschen Bundesgerichtshofs aufgeworfen wurde, ob in der Schweiz einzelne Personendaten aus dem Handelsregister gelöscht werden können. Sollten sich keine Spezialbestimmungen in anderem anwendbarem Bundesrecht finden, wäre sodann das Datenschutzgesetz anwendbar, nach welchem sich wie ausgeführt ein Recht auf Löschung ableiten lassen kann. Der Wortlaut in Art. 119 Abs.1 HRegV, nach welchem sich die Publikation von Personendaten richten, stellt jedoch eindeutig dar, dass eine Löschung einzelner ausgewählter Daten nicht verordnungskonform sein dürfte («Einträge zu natürlichen Personen müssen die folgenden Daten enthalten […]».) Ein Gericht in der Schweiz würde demnach mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu einem ähnlichen Urteilsspruch wie der deutsche Bundesgerichtshof kommen.
Bei weiteren datenschutzrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Verwendung und Veröffentlichung von Personendaten im Handelsregister steht unser Team gerne beratend zur Seite.
Christian Mitscherlich, MLaw, Rechtsanwalt, Partner