Im inzwischen rechtskräftigen Urteil HG220030-O vom 21. August 2024 musste das Handelsgericht Zürich auf Klage des Weltfussballvereins FIFA entscheiden, ob es dem US-Technologiekonzern Google zu untersagen ist, bestimmte Suchergebnisse anzuzeigen und auf bestimmte Artikel zu verlinken. Die Klage wurde mangels notwendiger Mitwirkungshandlungen von Google an einem Verstoss abgewiesen.
Ausgangslage
Auf einer Website wurden mehrere anonym verfasste Artikel veröffentlicht, die laut der FIFA schwerwiegende Persönlichkeitsverletzungen und Rufschädigungen gegenüber Organen der FIFA enthielten. Die besagte Website widmet sich ausschliesslich der FIFA und wirft dem Verein unter anderem vor, eine korrupte Organisation darzustellen. Die FIFA klagte vor dem Handelsgericht Zürich deshalb darauf, dass Google zu verbieten sei, die entsprechenden Artikel in seinen Suchergebnissen anzuzeigen.
Zuständigkeit des Zürcher Handelsgerichts
Die FIFA richtete die Klage einerseits gegen die Google Ireland Limited mit Sitz in Dublin (IRL) und andererseits gegen die Google LLC mit Sitz in Mountain View (USA). Da somit ein internationaler Sachverhalt vorlag, musste das Handelsgericht Zürich zunächst über die örtliche Zuständigkeit befinden. Bei Klagen aus einer Persönlichkeitsverletzung mit einem internationale Sachverhalt ist in der Regel das Gericht am Sitz der Beklagten oder am Ort der Persönlichkeitsverletzung (Erfolgsort) zuständig. Da die betreffenden Artikel weltweit und damit insbesondere auch in der Schweiz und im Kanton Zürich abrufbar sind, sah das Handelsgericht den Erfolgsort der potenziellen Persönlichkeitsverletzung im Kanton Zürich als gegeben an. Dies insbesondere, da sich aus dem Sitz und der Geschäftstätigkeit der FIFA in Zürich eine besondere Sachnähe ergibt, weshalb das Handelsgericht Zürich seine Zuständigkeit für die Klage gegen Google bejahte.
Hosten der Website = Mitwirkung?
Hauptstreitfrage in dem Verfahren war die Passivlegitimation Googles, bzw. ob eine genügende Mitwirkungshandlung in Bezug auf eine mögliche Persönlichkeitsverletzung besteht. Der Vorwurf der FIFA lautet: Durch das Indexieren der betreffenden Webseite und das Anzeigen von Suchresultaten würde Google zu der Verbreitung von persönlichkeitsverletzendem Inhalt beitragen und damit an einer Persönlichkeitsverletzung mitwirken. Die Frage, wann eine rechtsverletzende Mitwirkungshandlung vorliegt, beschäftigte die Gerichte bereits in der Vergangenheit:
In BGE 141 III 513 hielt das Bundesgericht fest, dass das «Hosten» einer Webseite grundsätzlich als Mitwirkungshandlung einer Persönlichkeitsverletzung gelten könne, verlangte aber ein darüber hinausgehenden Kausalzusammenhang.
In BGer 5A_658/2014 entschied das Bundesgericht, dass eine allgemeine Verlinkung auf eine Webseite mit persönlichkeitsverletzendem Inhalt keine ausreichende Mitwirkung darstelle, wenn der Link nicht auf die spezifische Unterseite führe (sog Deep-Link), lies jedoch offen, ob eine direkte Verlinkung ausreichend sei.
Das Bezirksgericht Zürich (Urteil vom 1. Juni 2018 (CG160047)) bejahte das Bestehen einer Mitwirkungshandlung beim setzen eines direkten Links auf einen persönlichkeitsverletzenden Inhalt (Deep-Link).
Hingegen entschied das Bezirksgericht Zürich (Urteil vom 26. Oktober 2020 (CG190002), dass die Eingabe von Wortkombinationen in die Suchleiste einer Suchmaschine (und deren Wiedergabe in den Suchresultaten) keine zurechenbare Handlung deren Betreiberin sei, wenn keine zusätzlichen Begriffe vorgeschlagen werden.
International entschied dagegen etwa der Deutsche Bundesgerichtshof (Urteil des BGH vom 14. Mai 2013 (VI ZR 269/12), dass die automatische Ergänzung von Suchbegriffen, welche dem Nutzer vorgeschlagen werden («sog. Autocomplete») eine persönlichkeitsverletzende Mitwirkung sein können.
Im vorliegenden Fall verneinte das Handelsgericht schliesslich das Vorliegen einer Mitwirkungshandlung durch Google und begründete dies wie folgt:
Hosten von Google = Mitwirkung?
Der bundesgerichtlichen Rechtsprechung folgend argumentierte das Handelsgericht, dass der Betreib einer Suchmaschine allein nicht genüge, um eine Haftung zu begründen. Hingegen sei eine zusätzliche konkrete und kausale Mitwirkungshandlung notwendig. Die Handlung der Suchmaschinenbetreiberin müsse ursächlich für das Auffinden der kritischen Artikel und damit ursächlich für die Persönlichkeitsverletzung sein. Der FIFA sei es nicht gelungen, zu beweisen, dass eine solche Handlung vorliege. Es war für das Gericht lediglich erstellt, dass die betreffenden Artikel über die Suchfunktion gefunden werden können, wenn der Suchende Teile des Artikels sowie den Begriff «FIFA» in die Suchmaschine eingebe. Der Bezug zwischen den möglicherweise persönlichkeitsverletzenden Inhalten und der FIFA würde daher nicht durch Google sondern bereits durch den Suchenden selbst hergestellt. Mit anderen Worten könnten die betreffenden Artikel nur von Personen gefunden werden, welche bereits Kenntnis von den potenziellen persönlichkeitsverletzenden Inhalten haben. Demnach würde Google keinen kausalen Beitrag zu deren Verbreitung leisten.
Einordnung
Persönlichkeitsverletzungen im Internet sind in der Regel weltweit abrufbar. Demnach kann der Erfolgsort auch überall sein. Die verletzte Person kann somit in der Regel am Ort ihres Lebensmittelpunkts, Wohnorts oder Sitz klagen oder eine für sie günstige Rechtsordnung aussuchen.
Materiell ist der Begriff der Mitwirkung bei einer Persönlichkeitsverletzung weit gefasst. Grundsätzlich kann jede Handlung, die dazu beiträgt, dass die Verbreitung persönlichkeitsverletzender Inhalte verursacht, ermöglicht oder begünstigt wird zu einer Haftung führen. Im Falle von Plattformbetreibern muss die Handlung jedoch konkret zurechenbar sein. Eine Persönlichkeitsverletzung wird nicht allein dadurch verursacht, ermöglicht oder begünstigt, dass eine Plattform zur Verfügung gestellt wird, solange die Verbreitung hauptsächlich auf konkrete Handlungen des Nutzers (etwa die Eingabe der notwendigen Suchbegriffe) zurückzuführen ist.
Ein möglicher direkter Löschanspruch nach dem DSG wurde vom Gericht nicht geprüft, da die FIFA einen Löschanspruch nicht in Vertretung für den potenziell in seiner Persönlichkeit verletzten geltend gemacht hat.