Die SBB sind in den vergangenen Tagen in den Fokus des öffentlichen Diskurses geraten. Es steht der Vorwurf im Raum, sie würden die Überwachung der Reisenden in Schweizer Bahnhöfen massiv ausbauen wollen. Handelt es sich dabei um berechtigte Sorgen oder um haltlose Polemik der Medien?
In diesem Beitrag gilt es die Geschehnisse sachlich aufzuarbeiten und rechtlich einzuordnen.
Bereits heute messen die SBB bei den Ein- und Ausgängen von Bahnhöfen die Anzahl der Bahnhofbenutzer*innen. Das neue Kundenfrequenzmesssystem soll es den SBB zudem ermöglichen die Kundenströme in den Bahnhöfen zu messen und auszuwerten. Aus diesen Daten erhoffen sich die SBB folgende Verbesserungen:
Erhöhte Sauberkeit durch bedarfsgesteuerte Reinigung
Prüfung und Erhöhung der Sicherheit
Verbesserung der Nutzung der Bahnhofsflächen und verbesserter Personenfluss
Wie funktioniert das neue Kundenfrequenzmesssystem?
Das System weist den einzelnen Passagierinnen mittels Videoüberwachung eine «Person-ID» zu. Anhand dieser Person-ID kann anschliessend der Bewegungsfluss der Passagierinnen innerhalb des Bahnhofs nachvollzogen und statistisch ausgewertet werden. Überdies sollen das Geschlecht, das Alter und die Grösse erfasst werden.
Laut den SBB können die Passagier*innen anhand des Systems nicht identifiziert werden. Ihnen werde lediglich eine anonyme Nummer zugewiesen, welche keine Rückschlüsse auf ihre Identität zulasse. Beim erneuten Betreten des Bahnhofs werde der betroffenen Person eine neue Nummer zugewiesen. Es handle sich gemäss Aussagen der SBB also um die Bearbeitung von anonymisierten Daten.
Wie ist das Kundenfrequenzmesssystem rechtlich einzuordnen?
Die Rechtslage in Bezug auf das Kundenfrequenzmesssystem ist umstritten. Laut den SBB werden die erfassten Personen anonym und ohne erkennbares Gesicht erfasst. Ist dies wahr, wäre die Bearbeitung grundsätzlich rechtlich unproblematisch.
Eine abschliessende Einschätzung wird aber erst möglich sein, sobald klar ist, welche Technologie genau eingesetzt werden soll, um das Kundenfrequenzmesssystem zu betreiben. Es ist beispielsweise fraglich, wie das System eine bestimmte Person innerhalb des Bahnhofs wiedererkennen soll, wenn die Person vom einen Kamerafeld in das nächste läuft. Solange eine Person anhand der «anonymen Nummer» – wenn auch nur während des Aufenthaltes im Bahnhof – wiedererkannt werden kann, handelt es sich dabei keineswegs um eine anonyme Nummer.
Bis diese Informationen bekannt sind, kann weder von einem schweren Eingriff in die Grundrechte, noch von der Bearbeitung von biometrischen Daten die Rede sein. Beides ist aber im Rahmen des Einsatzes des Kundenfrequenzmesssystems grundsätzlich denkbar.
Wie geht es weiter?
Das Projekt wird aktuell vom EDÖB beaufsichtigt. Die SBB haben angekündigt, sämtlichen Forderungen des EDÖB in Bezug auf die Einführung des Kundenfrequenzmesssystems nachkommen zu wollen. Mittlerweile erarbeiten die SBB auf Geheiss des EDÖB eine Datenschutz-Folgeabschätzung. Diese wird Aufschluss über die Technologie geben, die die SBB fortan einsetzen wollen. Ab diesem Zeitpunkt wird eine ordentliche rechtliche Einordnung möglich sein.
Fazit
Von einer Bespitzlung oder einem Lauschangriff durch die SBB kann nicht die Rede sein. Solche Schlagzeilen schüren Ängste vor einer totalen Überwachung, ohne dass es dafür triftige Gründe gäbe. Dennoch ist es wichtig, den SBB bei der Einführung eines solchen Systems genau auf die Finger zu schauen, um einem allfälligen Missbrauch vorzubeugen und den rechtmässigen Einsatz sicherzustellen.
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Domenig & Partner Rechtsanwälte AG Laupenstrasse 1 Postfach CH-3001 Bern