Im Urteil BGer 6B_1282/2019 beschäftigte sich das Bundesgericht mit der Verwertbarkeit privater GoPro-Aufnahmen im Strafprozess. Das Waadtländer Kantonsgericht bejahte die Verwertbarkeit solcher Aufnahmen im Strafprozess.
Der zu beurteilende Fall handelte von einem Verstoss gegen das Strassenverkehrsgesetz, welcher von einem Motorradfahrer mit einer GoPro-Kamera festgehalten wurde. Die GoPro-Aufnahme wurde im Strafprozess als Beweismittel verwendet.
Problematik
Art. 4 Abs. 4 DSG besagt, dass die Datenerhebung für die betroffene Person erkennbar sein muss. Die Verletzung des Grundsatzes stellt eine Persönlichkeitsverletzung bei der betroffenen Person dar.
Durch die getätigte GoPro-Aufnahme werden Personendaten von anderen Verkehrsteilnehmer erhoben. Da für andere Verkehrsteilnehmer die angebrachte GoPro-Kamera und somit die Datenerhebung nicht erkennbar ist, liegt eine Verletzung des Grundsatzes nach Art. 4 Abs. 4 DSG vor. Die GoPro-Aufnahmen wurden demensprechend rechtswidrig erstellt. Es handelt sich dabei um eine Persönlichkeitsverletzung, wenn kein Rechtfertigungsgrund i.S.v. Art. 13 Abs. 1 DSG vorliegt. Dasselbe ergibt sich, wenn man den Sachverhalt nach dem revidierten Datenschutzgesetz beurteilt.
Im vorliegenden Verfahren stellte sich die Frage, inwiefern diese persönlichkeitsverletzenden GoPro-Aufnahmen in einem Strafprozess als Beweismittel verwendet werden dürfen.
Erwägungen des Bundesgerichts
Das Bundesgericht hält zunächst fest, dass Beweismittel, die von Privatpersonen rechtswidrig erlangt wurden, nur dann für eine strafrechtliche Verwertung in Betracht gezogen werden können, wenn die Beweismittel ebenso rechtmässig von den Strafverfolgungsbehörden hätten erlangt werden können. Zudem muss eine Interessenabwägung vorgenommen werden, die für eine Verwertung des Beweismittels spricht. Gegenübergestellt wird das öffentliche Interesse an der Wahrheitsfindung und das private Interesse der angeklagten Person an deren Datenschutzschutz.
In einem älteren Urteil (BGer 6B_1188/2018) stützte sich das Bundesgericht bei der Interessenabwägung auf Art. 141 Abs. 2 StPO:
«Demnach dürfen Beweise, die Strafbehörden in strafbarer Weise oder unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben haben, nicht verwertet werden, es sei denn, ihre Verwertung sei zur Aufklärung einer schweren Straftat unerlässlich. Aus der Sicht der beschuldigten Person ist es unerheblich, durch wen die Beweise erhoben worden sind, mit welchen sie in einem gegen sie gerichteten Strafverfahren konfrontiert wird.»
Dementsprechend erlangt Art. 141 Abs. 2 StPO auch Gültigkeit für Beweise, die von Privaten rechtswidrig erhoben wurden.
Im selben Bundesgerichtsentscheid (BGer 6B_1188/2018) setzte sich das Bundesgericht mit der Frage auseinander, ob ein Rechtfertigungsgrund gemäss Art. 13 Abs. 1 DSG die Rechtswidrigkeit eines solchen datenschutzwidrig beschafften Beweismittels in einem Strafprozess heilen könnte. Im damaligen Leitentscheid hat das Bundesgericht klargestellt, dass das Vorliegen eines öffentlichen oder privaten Interessens als Rechtfertigungsgrund im Sinne von Art. 13 Abs. 1 DSGnicht für die Verwertung des Beweises im Strafprozess ausreicht.
Im vorliegenden Fall hat sich das Bundesgericht erneut mit dieser Frage auseinandergesetzt. Diesmal hielt es jedoch fest, dass bei einem Beweismittel, das unter der Missachtung der datenschutzrechtlichen Grundsätze erhoben wurde, zuerst das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes geprüft werden muss. Falls ein solcher vorliegt, ist das Beweismittel im Strafprozess uneingeschränkt verwertbar. Die Voraussetzungen für die Verwertbarkeit gemäss Art. 141 StPO sind bloss zu prüfen, wenn kein Rechtfertigungsgrund vorliegt.