Artikel
Dieses Gesetz gilt für die Bearbeitung von Personendaten natürlicher Personen durch:
private Personen;
Bundesorgane.
Es ist nicht anwendbar auf:
Personendaten, die von einer natürlichen Person ausschliesslich zum persönlichen Gebrauch bearbeitet werden;
Personendaten, die von den eidgenössischen Räten und den parlamentarischen Kommissionen im Rahmen ihrer Beratungen bearbeitet werden;
Personendaten, die bearbeitet werden durch institutionelle Begünstigte nach Artikel 2 Absatz 1 des Gaststaatgesetzes vom 22. Juni 2007, die in der Schweiz Immunität von der Gerichtsbarkeit geniessen.
Das anwendbare Verfahrensrecht regelt die Bearbeitung von Personendaten und die Rechte der betroffenen Personen in Gerichtsverfahren und in Verfahren nach bundesrechtlichen Verfahrensordnungen. Auf erstinstanzliche Verwaltungsverfahren sind die Bestimmungen dieses Gesetzes anwendbar.
Die öffentlichen Register des Privatrechtsverkehrs, insbesondere der Zugang zu diesen Registern und die Rechte der betroffenen Personen, werden durch die Spezialbestimmungen des anwendbaren Bundesrechts geregelt. Enthalten die Spezialbestimmungen keine Regelung, so ist dieses Gesetz anwendbar.
Der Anwendungsbereich des DSG wird durch den E‑DSG teilweise erweitert, dies insbesondere, um den Anforderungen des E‑SEV 108 gerecht zu werden. So ist vorgesehen, die Ausnahmen in Bezug auf hängige Zivilprozesse, Strafverfahren, Verfahren der internationalen Rechtshilfe sowie staats- und verwaltungsrechtliche Verfahren (Art. 2 Abs. 2 Bst. c DSG) und diejenige betreffend öffentliche Register des Privatrechtsverkehrs (Art. 2 Abs. 2 Bst. d DSG) anzupassen. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass der E‑DSG genau wie das bisherige Recht das Datenschutzrecht im Allgemeinen regelt. Falls die Bearbeitung von Personendaten in den Anwendungsbereich anderer Bundesgesetze fällt, gelten aufgrund der Lex-specialis-Regel (besondere Normen gehen der allgemeinen Norm vor) grundsätzlich die bereichsspezifischen Datenschutznormen.
Abs. 1 Anwendung für natürliche Personen
Das DSG gilt gemäss dem Vorentwurf für die Bearbeitung von Daten natürlicher Personen durch private Personen und Bundesorgane.
Aufhebung des Schutzes für Daten juristischer Personen
Mit dem E‑DSG wird vorgeschlagen, auf den Schutz von Daten juristischer Personen zu verzichten. In den datenschutzrechtlichen Bestimmungen der Europäischen Union und des Europarates sowie in den entsprechenden Regelungen der meisten ausländischen Gesetzgeber ist kein solcher Schutz vorgesehen. Dieser Schutz ist nur von geringer praktischer Bedeutung, und der Beauftragte hat zu diesem Bereich noch nie eine Empfehlung abgegeben. Auch bleibt für juristische Personen ein umfassender Schutz unverändert bestehen, wie er durch die Artikel 28 ff. des Zivilgesetzbuchs (ZGB) (Persönlichkeitsverletzungen wie beispielsweise Rufschädigung), das UWG, das Urheberrechtsgesetz vom 9. Oktober 1992 oder durch die Bestimmungen zum Schutz von Berufs‑, Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnissen sowie Artikel 13 BV auf Verfassungsebene gewährleistet wird. Die Änderung erlaubt indessen, den Schutz in jenen Bereichen zu verbessern, in denen er derzeit nicht ausreichend umgesetzt wird und dadurch die Glaubwürdigkeit des Gesetzes zu erhöhen. Diese Lösung hat auch den Vorteil, dass die Bekanntgaben von Daten juristischer Personen ins Ausland nicht mehr davon abhängt, ob im Empfängerland ein angemessener Schutz gewährleistet ist (Art. 13 E‑DSG). Dies wird voraussichtlich zu einer Zunahme der Bekanntgabe ins Ausland beitragen. Festzuhalten ist auch, dass die meisten Expertinnen und Experten, die im Rahmen der RFA zur Revision des DSG befragt wurden, sowie die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer den Verzicht auf den Schutz von Daten juristischer Personen befürworteten. Dasselbe gilt für das Parlament, das einer Motion, welche den Schutz von Daten juristischer Personen beibehalten wollte, nicht zugestimmt hat.
Im Bereich der Datenbearbeitungen durch Bundesorgane hat die Aufhebung des Schutzes von Daten juristischer Personen zur Folge, dass die bundesrechtlichen Gesetzesgrundlagen, mit denen die Bundesorgane zur Bearbeitung von Personendaten ermächtigt werden, nicht mehr anwendbar sind, wenn diese Daten juristischer Personen bearbeiten. Nach Artikel 5 BV ist die Grundlage staatlichen Handelns jedoch das Recht. Der Gesetzesentwurf führt deshalb im RVOG für die Bundesorgane eine Reihe von Bestimmungen ein, welche deren Umgang mit Daten juristischer Personen regeln (vgl. Ziff. 9.2.8). Ausserdem soll eine Übergangsbestimmung während fünf Jahren mögliche Rechtslücken verhindern (vgl. Art. 66 E‑DSG sowie die Erläuterungen unter Ziff. 9.1.11).
Das Öffentlichkeitsgesetz vom 17. Dezember 2004 (BGÖ) räumt allen Personen das Recht ein, amtliche Dokumente der Bundesbehörden einzusehen, für die das Öffentlichkeitsprinzip gilt. Der neue Geltungsbereich des E‑DSG hat zur Folge, dass der Zugang zu amtlichen Dokumenten, die Daten juristischer Personen enthalten, nicht mehr aus Datenschutzgründen eingeschränkt werden kann, sondern nur wenn dadurch Berufs‑, Geschäfts- oder Fabrikationsgeheimnisse offenbart werden können (Art. 7 Abs. 1 Bst. g (BGÖ) oder wenn das Risiko besteht, dass die Privatsphäre der juristischen Person beeinträchtigt wird, beispielsweise deren guter Ruf. Um die Rechte juristischer Personen beim Zugang zu amtlichen Dokumenten zu garantieren, wenn ein Gesuch sich auf Dokumente bezieht, bei denen die Gewährung des Zugangs die Privatsphäre der juristischen Person beeinträchtigen könnte, werden im Gesetzesentwurf einige Bestimmungen des BGÖ angepasst (vgl. Ziff. 9.2.7).
Die Aufhebung des Schutzes von Daten juristischer Personen bewirkt ebenfalls, dass diese gestützt auf den E‑DSG kein Auskunftsrecht mehr geltend machen können. Sie können aber ihre Verfahrensrechte geltend machen und gegebenenfalls aufgrund des Öffentlichkeitsgesetzes Einsicht in öffentliche Dokumente verlangen, wenn diese Informationen enthalten, die sie betreffen.
Abs. 2 Ausnahmen vom Geltungsbereich
Das DSG ist wie bisher nicht anwendbar auf Personendaten, die durch eine natürliche Person ausschliesslich zum persönlichen Gebrauch bearbeitet werden (Art. 2 Abs. 2 Bst. a E‑DSG); die redaktionelle Anpassung beinhaltet keine materiellen Änderungen.
Ebenfalls vom Geltungsbereich ausgenommen bleibt die Bearbeitung von Personendaten, die durch die eidgenössischen Räte und die parlamentarischen Kommissionen im Rahmen ihrer Beratungen erfolgt (Art. 2 Abs. 2 Bst. b E‑DSG); dies aus denselben Gründen wie sie der Bundesrat bereits in der Botschaft vom 23. März 1988 angeführt hat.
Nach Buchstabe c sind die institutionellen Begünstigten gemäss Artikel 2 Absatz 1 des Gaststaatgesetzes vom 22. Juni 2007 (GSG), die in der Schweiz Immunität von der Gerichtsbarkeit geniessen, dem E‑DSG nicht unterstellt. In Bezug auf das IKRK wird damit die aktuelle Situation beibehalten und es werden die übrigen betroffenen institutionellen Begünstigten ausdrücklich erwähnt. Diese anderen betroffenen institutionellen Begünstigten geniessen gestützt auf das Völkerrecht und das GSG selber auch Unabhängigkeit und Handlungsfreiheit, damit sie ihre internationalen Funktionen erfüllen können. Von einem Staat kann nicht erwartet werden, dass er sich in Bezug auf die Daten, die von seinen diplomatischen oder konsularischen Vertretungen bearbeitet werden, den Regeln des Schweizer Rechts unterwirft. Die Schweiz ist ihrerseits nicht verpflichtet, in Bezug auf ihr Vertretungsnetz im Ausland die ausländischen Regeln über den Datenschutz zu beachten. Auch von einer internationalen Organisation, die definitionsgemäss Aktivitäten in zahlreichen Staaten durchführt, kann nicht verlangt werden, dass sie die Anforderungen des nationalen Rechts eines jeden Staates, in dem sie tätig ist, befolgt, denn dies würde es ihr verunmöglichen, die Funktionen, die ihr kraft ihrer Statuten zugewiesen wurden, zu erfüllen.
Abs. 3 Bearbeitung von Personendaten in Verfahren
Nach Artikel 2 Absatz 3 E‑DSG regelt das anwendbare Verfahrensrecht die Bearbeitung von Personendaten und die Rechte der betroffenen Personen in Gerichtsverfahren und in Verfahren nach bundesrechtlichen Verfahrensordnungen. Die Norm regelt das Verhältnis des DSG zum Verfahrensrecht und hält als allgemeinen Grundsatz fest, dass ausschliesslich das anwendbare Verfahrensrecht darüber bestimmt, wie im Rahmen der Verfahren Personendaten bearbeitet werden und wie die Rechte der betroffenen Personen ausgestaltet sind. Das Verfahrensrecht stellt im Rahmen seiner Regelungen ebenfalls den Schutz der Persönlichkeit und der Grundrechte aller Beteiligten sicher und gewährleistet damit einen dem DSG äquivalenten Schutz. Käme in diesem Bereich das DSG zur Anwendung, bestünde die Gefahr von Normkollisionen und Widersprüchen, die das austarierte System der jeweils anwendbaren Verfahrensordnung stören könnten. Aus diesen Gründen sieht auch Artikel 9 Ziffer 1 Buchstabe a E‑SEV 108 eine entsprechende Ausnahme vor. Materiell entspricht die Regelung im E‑DSG dem geltenden Recht.
Unter die Ausnahme von Absatz 3 fallen nach dem Wortlaut zunächst “Gerichtsverfahren”. Hierzu zählen sämtliche Verfahren vor kantonalen und eidgenössischen Straf‑, Zivil- und Verwaltungsgerichten, aber auch vor Schiedsgerichten mit Sitz in der Schweiz. Weiter erfasst die Ausnahme sämtliche Verfahren nach bundesrechtlichen Verfahrensordnungen unabhängig davon, vor welcher Behörde sie stattfinden. Zu den bundesrechtlichen Verfahrensordnungen gehören namentlich das Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005 (BGG), das Verwaltungsgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005 (VGG), das Patentgerichtsgesetz vom 20. März 2009, das VwVG, soweit es nicht um das erstinstanzliche Verwaltungsverfahren geht, die Zivilprozessordnung (ZPO), das Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG), die StPO, das VStrR, der Militärstrafprozess vom 23. März 1979 und das IRSG.
Anders als das bisherige Recht verzichtet der E‑DSG auf den Begriff des hängigen Verfahrens, weil lediglich im Zivilprozessrecht von Rechtshängigkeit die Rede ist und dieser Begriff deshalb mitunter zu Abgrenzungsproblemen führte. Massgebend ist nun, ob ein Verfahren vor einem Gericht stattfindet oder von einer bundesrechtlichen Verfahrensordnung geregelt ist. Ein Verfahren findet vor einem Gericht statt, wenn dieses zum ersten Mal mit einem Fall befasst ist, indem das Verfahren nach der massgebenden Verfahrensordnung eingeleitet wurde. Ein Verfahren ist durch bundesrechtliche Verfahrensordnungen geregelt, sobald ein bestimmter Sachverhalt durch eine Behörde entsprechend den Vorschriften in einem dieser Gesetze behandelt wird. Die massgebende Verfahrensordnung bleibt auch nach Abschluss des Verfahrens anwendbar. Damit die Aktenlage nicht nachträglich durch prozessfremde Instrumente verändert werden kann, sieht das Prozessrecht eigenständige Verfahren zur Aktenpflege, zur Akteneinsicht und zur Aktenaufbewahrung vor. Wesentliches Abgrenzungskriterium für die Nichtanwendbarkeit des DSG ist somit zusammenfassend, ob funktional betrachtet ein unmittelbarer Zusammenhang zu einem (Gerichts-) Verfahren besteht oder nicht. Ein solcher liegt vor, wenn die fragliche Bearbeitung von Personendaten konkrete Auswirkungen auf dieses Verfahren oder dessen Ausgang oder die Verfahrensrechte der Parteien haben kann.
Wenn die Vorschrift von Absatz 3 zum Tragen kommt, regelt ausschliesslich das anwendbare Verfahrensrecht die Bearbeitung von Personendaten und die Rechte der betroffenen Personen. Sowohl Datenbearbeitungen des Gerichts gegenüber den Verfahrensbeteiligten als auch Datenbearbeitungen, welche die Beteiligten gegenüber anderen Verfahrensbeteiligten durchführen, richten sich nach dem anwendbaren Verfahrensrecht. Dies gilt insbesondere für die Rechte der Parteien zur Kenntnisnahme der ins Verfahren einfliessenden Daten und zur allfälligen Berichtigung bestimmter Daten sowie für die Datenbearbeitung im Rahmen der gerichtlichen Verfahren im Allgemeinen. Das bedeutet namentlich, dass die verschiedenen Rechtsbehelfe nach dem DSG weder gegenüber Datenbearbeitungen des Gerichts im Rahmen des Verfahrens noch gegenüber Datenbearbeitungen der anderen Verfahrensbeteiligten zum Tragen kommen. So können die Verfahrensbeteiligten beispielsweise kein Auskunftsrecht nach dem DSG geltend machen, um beim Gericht Akteneinsicht zu erhalten oder bei anderen Verfahrensbeteiligten Beweismittel zu beschaffen (vgl. hierzu Ziff. 9.1.5). Es ist mit anderen Worten nicht möglich, auf dem Wege des DSG verfahrensrelevante Handlungen gegenüber dem Gericht oder unter den Verfahrensbeteiligten vorzunehmen, welche nach dem fraglichen Verfahrensrecht ausgeschlossen wären oder aber umgekehrt unter bestimmten Voraussetzungen nach bestimmten Regeln und Grundsätzen zu erfolgen haben. Auch nach Abschluss des Verfahrens können die Akten lediglich nach den Vorschriften des Prozessrechts abgeändert werden (Berichtigung, Erläuterung, Revision), da die Akten mit dem Ergebnis eines Verfahrens übereinstimmen müssen. Nicht ausgeschlossen ist dadurch, dass das anwendbare Verfahrensrecht nach Abschluss des Verfahrens das DSG für anwendbar erklärt (vgl. Art. 99 StPO). Soweit das anwendbare Prozessrecht in Bezug auf das Akteneinsichtsrecht Dritter nach Abschluss des Verfahrens keine Vorschriften enthält, sollte sich die Rechtsanwendung an den Bestimmungen des DSG orientieren.
Anders als noch die Vernehmlassungsvorlage nimmt der Absatz 3 damit nicht mehr lediglich die Datenbearbeitungen bestimmter Institutionen vom Anwendungsbereich des DSG aus, was in der Vernehmlassung erheblich kritisiert wurde. Vielmehr sind auch Datenbearbeitungen durch die Parteien erfasst. Zudem wird der Normenkonflikt auf andere Weise gelöst, indem die Norm das anwendbare Recht bestimmt. Insbesondere für die eidgenössischen Gerichte bedeutet dies im Ergebnis jedoch nach wie vor, dass sie vom Anwendungsbereich des DSG ausgenommen sind, was Datenbearbeitungen im Rahmen ihrer Rechtsprechungstätigkeit angeht, wodurch der Gewaltenteilung Rechnung getragen wird.
Im Umkehrschluss ergibt sich aus Artikel 2 Absatz 3 jedoch auch, dass das DSG anwendbar ist auf Datenbearbeitungen durch die administrativen Dienste von Gerichten und Behörden, wie beispielsweise die Bearbeitung von Daten über das Personal. Ebenfalls müssen die Gerichte bei der Archivierung von Beweismitteln und Entscheiden die Datensicherheit gewährleisten. Dabei bestehen jedoch Ausnahmen von der Aufsicht durch den Beauftragten (vgl. Art. 3 Abs. 2 E‑DSG und die Erläuterungen).
Die Vorschrift von Artikel 2 Absatz 3 E‑DSG gilt nach Satz 2 nicht für erstinstanzliche Verwaltungsverfahren. Diese Regelung aus dem bisherigen Recht wird unverändert beibehalten.
Abs. 4 Öffentliche Register des Privatrechtsverkehrs
Die in Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe d DSG vorgesehene Ausnahme betreffend die öffentlichen Register des Privatrechtsverkehrs ist mit den Anforderungen von Artikel 3 E‑SEV 108 nicht vereinbar. Das künftige Übereinkommen sieht nämlich keine Ausnahme für solche Register vor. Das Gleiche gilt für die Verordnung (EU) 2016/679.
Auch wenn es im Interesse der betroffenen Personen liegt, dass die öffentlichen Register des Privatrechtsverkehrs die Grundsätze des Datenschutzes einhalten, so besteht doch auch ein öffentliches Interesse an der Führung dieser Register und am Zugang dazu (siehe Erwägung 73 der Verordnung [EU] 2016/679). In einem Urteil vom 9. März 2017 hatte der Gerichtshof der Europäischen Union die Gelegenheit, sich zur Abgrenzung zwischen dem Datenschutz und der Öffentlichkeit eines von den italienischen Behörden geführten Handelsregisters zu äussern. In dieser Rechtssache verlangte ein ehemaliger Verwalter und Liquidator eines in Konkurs geratenen Unternehmens die Löschung bestimmter Daten zu seiner Person aus dem genannten Register. Zur Beilegung dieser Rechtsstreitigkeit ersuchte das italienische Kassationsgericht den Gerichtshof, zu prüfen, ob der in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie 95/46/EG verankerte Grundsatz der Datenaufbewahrung, wie in der ersten Richtlinie 68/151/EWG vorgesehen, Vorrang vor dem Regime der Öffentlichkeit von Handelsregistern haben soll. Nach diesem Grundsatz werden persönliche Daten nicht länger, als es für die Realisierung der Zwecke, für die sie erhoben oder weiterverarbeitet werden, erforderlich ist, in einer Form aufbewahrt, die die Identifizierung der betroffenen Personen ermöglicht.
Gemäss dem Gerichtshof soll die Öffentlichkeit des Handelsregisters die Rechtssicherheit zwischen den Unternehmen und Dritten gewährleisten und Letzteren ermöglichen, von wesentlichen Aktivitäten des betreffenden Unternehmens und von bestimmten Daten zu den vertretungsberechtigten Personen Kenntnis zu erlangen. Die Öffentlichkeit solcher Informationen ist auch nach der Auflösung eines Unternehmens gerechtfertigt. Denn es kann sich beispielsweise als notwendig erweisen, im Hinblick auf ein mögliches Gerichtsverfahren die Rechtmässigkeit von Handlungen eines Unternehmens während seiner Geschäftstätigkeit zu überprüfen. Gemäss dem Gerichtshof verunmöglichen aber die unterschiedlichen Verjährungsregelungen in den Mitgliedstaaten die Festlegung einer einheitlichen Frist ab Auflösung des Unternehmens, nach deren Ablauf die im Handelsregister erfassten Daten nicht mehr benötigt werden. Vor diesem Hintergrund hält der Gerichtshof fest, dass die Mitgliedstaaten nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie 95/46/EG den betroffenen Personen beispielsweise nicht ein Recht auf Löschung ihrer Personendaten nach einer bestimmten Frist ab Auflösung des Unternehmens gewährleisten können. Wenn die Rechtssicherheit und der Schutz der Interessen Dritter überwiegen, ist es dennoch nicht ausgeschlossen, dass eine Person in besonderen und aussergewöhnlichen Situationen ein überwiegendes und schützenswertes Interesse daran geltend machen kann, dass der Zugang zu ihren Personendaten eingeschränkt wird. Der Gerichtshof kommt deshalb zum Schluss, dass es den Mitgliedstaaten obliegt zu bestimmen, ob die betroffenen Personen von der registerführenden Behörde verlangen können, im Einzelfall zu prüfen, ob es aufgrund eines überwiegenden schützenswerten Interesses ausnahmsweise gerechtfertigt ist, nach Ablauf einer ausreichenden Frist nach der Auflösung des betroffenen Unternehmens den Zugang zu ihren Personendaten einzuschränken. Zwar stützt sich das Urteil des Gerichtshofs auf die Richtlinie 95/46/EG, die ab Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2016/679 nicht mehr anwendbar ist, die Erwägungen dieses Urteils bewahren ihre Gültigkeit aber auch für die neue Gesetzgebung.
Nach dem in Artikel 9 ZGB festgelegten Grundsatz erbringen öffentliche Register für die durch sie bezeugten Tatsachen vollen Beweis, solange nicht die Unrichtigkeit ihres Inhalts nachgewiesen ist. Angesichts des Zwecks dieser Register ist der Bundesrat der Ansicht, dass Datenschutzgründe die Öffentlichkeit der Register des Privatrechtsverkehrs nicht beeinträchtigen dürfen. Dasselbe gilt für die Register im Bereich des Immaterialgüterrechts: Der Gesetzgeber hat bereits eine Interessenabwägung vorgenommen und garantiert die Öffentlichkeit dieser Register. Nach Ansicht des Bundesrates ist es nicht Aufgabe des DSG, die Rechte der betroffenen Personen auf diesem Gebiet zu regeln. Deshalb ist in Absatz 4 eine Einschränkung zugunsten der Spezialbestimmungen des Bundesrechts vorzusehen. Die Änderung betrifft ausschliesslich öffentliche Register des Privatrechtsverkehrs, die von Bundesbehörden geführt werden, d. h. das elektronische Zivilstandsregister, Zefix, das Luftfahrzeugbuch des Bundesamts für Zivilluftfahrt und die Register des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum (insbesondere das Marken‑, das Patent- und das Designregister).
Die öffentlichen Register des Privatrechtsverkehrs, für welche die Kantone zuständig sind, unterstehen dem kantonalen Datenschutzrecht. Dies gilt auch, wenn diese Daten im Rahmen des Vollzugs von Bundesrecht bearbeitet werden. Allerdings darf das kantonale Datenschutzrecht die korrekte und einheitliche Anwendung des Bundesprivatrechts und insbesondere den Grundsatz der Öffentlichkeit der Register nicht behindern. Die Aufhebung von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe d DSG hat daher auf die folgenden kantonalen Register keine Auswirkungen: das Grundbuch, das Schiffsregister, die kantonalen Handelsregister, die Betreibungs- und Konkursregister und das öffentliche Register über die Eigentumsvorbehalte. Absatz 4 hat ebenfalls keine Auswirkungen auf öffentlich-rechtliche Register wie z. B. das Medizinalberuferegister, auf die das betreffende Spezialgesetz anwendbar ist, subsidiär das DSG.
Christian Mitscherlich, MLaw, Rechtsanwalt, Partner